Agri-PV: Strom und Gemüse vom selben Feld
Energie und Lebensmittel auf der gleichen Fläche produzieren? Ja, das geht! Wie? Das testen wir in unserem Pilotprojekt Agri-PV! Film ab! Klicken Sie aufs Foto und Sie gelangen zum Videobeitrag von buten un binnen.
Worum geht es in dem Projekt?
Sollen wir auf einer Fläche Lebensmittel anbauen oder lieber Energie erzeugen? Mit Agri – PV könnte dieser Konflikt bald der Vergangenheit angehören: Nach dem Motto „Kombination statt Konkurrenz“ werden bei Agri - PV senkrechte Solarmodule auf landwirtschaftlich genutzten Flächen im Reihenabstand von ca. 10m voneinander aufgestellt. Zwischen den Solarmodulen sollen Kartoffeln, Möhren, Kürbis und andere Nutzpflanzen gedeihen. Im Oktober 2025 haben wir zusammen mit der Regional- und Energiegenossenschaft Aller-Leine-Weser eG in Dörverden auf einer Ackerfläche von einem Hektar die erste vertikale PV-Anlage in Niedersachsen mit einer installierten Leistung von 170 kW errichten lassen.
Es ist das erste Vorhaben in Deutschland, welches Photovoltaik und ökologischen Landbau verknüpft und zusätzlich den Schwerpunkt auf Fragestellungen im landwirtschaftlichen Bereich legt.
Deshalb sind noch viele Fragen offen: Wirken sich die Anlagen auf die landwirtschaftlichen Erträge oder die Biodiversität aus? Beeinflussen die Solarmodule den Arbeitszeitbedarf bei der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Fläche? Wie beeinflusst die Bewirtschaftung der Ackerfläche die PV – Module?
Welche Vorteile bringt Agri - PV mit sich?
Agri – PV bietet das Potenzial…
- … auf einer Fläche klimafreundliche Energie zu erzeugen und gleichzeitig Lebensmittel anzubauen.
- … den Flächenverbrauch zu verringern: der Energiegewinn je überbauten Quadratmeter ist um ein vielfaches höher als bei Energiegewinnung aus Biomasse oder klassicher Freiflächenphotovoltaik mit schrägen Modulen.
- ...die Stromnetze zu entlasten: Die Stromproduktion erfolgt hauptsächlich morgens und abends. Also immer dann, wenn in den Haushalten am meisten Strom gebraucht wird.
- … für einen neuen, krisensicheren Betriebszweig für Landwirt:innen.
Wie sieht ein Energie-Acker der Zukunft aus?
Auf unserem Versuchsacker wirtschaftet der Bioland-Betrieb LohmannsHof aus Dörverden-Westen weiterhin in klassischer Fruchtfolge: Kleegras (Umstellung auf ökologischen Landbau), Kleegras, Getreide, Hackfrucht, Gemüse und Leguminose (z. B. Ackerbohne). In einem „Ackerstreifen“ zwischen den Modulen sollen die Dauerkulturen Spargel und Beeren gepflanzt werden, um auch Erfahrungen mit diesen typisch niedersächsischen Dauerkulturen gewinnen zu können.
Zugleich werden von Prof. Miriam Athmann, Fachgebiet ökologischer Land- und Pflanzenbau der Universität Kassel und Dr. Marc Köntges von der Forschungsgruppe Photovoltaik-Zuverlässigkeit des Instituts für Solarenergieforschung Hameln hier viele Fragestellungen bearbeitet. Unser Projektkoordinator Corbinian Schöfinius weiß, dass noch wichtige Fragen beantwortet werden müssen, bis diese kombinierte Art der Ackernutzung flächendeckend in Deutschland zum Einsatz kommen kann: „Insbesondere klären wir mit diesem Pilotprojekt, wie sich die Verschattung auf den Acker- und Gemüsebau, aber auch auf die Module auswirkt. Auch die Fragen nach einer möglichen Beregnung in Trockenphasen oder nach Insekten, die sich in den Modulstreifen ansiedeln, müssen geklärt werden.“
Die Zahlen
Damit valide Ergebnisse herauskommen, ist das Projekt bis mindestens 2029 angelegt. Das gesamte Volumen des Projektes beträgt ca. 510.000 € (Bau der Anlagen und Begleitforschung). Davon übernimmt ca. 400.000€ das niedersächsische Umweltministerium, 15.000€ die kleVer und 15.000€ REALWeg. 80.000€ stammen aus LEADER – Fördermitteln des Aller-Leine-Tals.
Insgesamt sind fast 400 sogenannte „bi-faciale“ Module in senkrechter Bauweise aufgestellt. Die Module vom Anlagenbauer Next2Sun können auf beiden Seiten Licht und Strahlung aufnehmen und wurden in Ost-West-Ausrichtung montiert. Sie erzeugen eine Gesamtleistung von circa 170 Kilowatt-Peak (kWp) und speisen den Strom in das Netz des Netzbetreibers und Mitglied des kleVer Fördervereins Avacon ein. Die senkrechten Modulreihen haben einen Abstand von dreizehn Metern, die den landwirtschaftlichen Anbau zwischen ihnen ermöglicht. Der Einsatz von GPS-unterstützten Landmaschinen ermöglicht eine präzise und sichere Bewirtschaftung zwischen den Modulen. Durch eine angrenzende Referenzackerfläche soll ermittelt werden, ob der landwirtschaftliche Ertrag durch die PV-Module vermindert wird. Sascha Krause-Tünker, Vorstand bei Next2Sun, erläutert: „Unsere Systeme sind so konzipiert, dass sie sich flexibel in bestehende Agrarstrukturen integrieren lassen – und genau das macht sie skalierbar für den breiten Einsatz im ländlichen Raum.“
Auf welche Fragen liefert das Forschungsprojekt Antworten?
Das interdisziplinäre Forschungsprojekt adressiert sowohl technische, landwirtschaftliche und naturwissenschaftliche als auch sozialwissenschaftliche Fragestellungen. Konkret stehen folgende Fragestellungen im Fokus:
Technische Fragestellungen, u.a.:
- Welche Auswirkungen hat der Ackerbau auf den Ertrag, die Leistungsfähigkeit und die Lebensdauer der PV-Module in räumlicher Nähe sowie auf die gesamte Anlage , u.a.
- durch (Teil-)Verschattung von Pflanzen, Staub und Landmaschinen?
- durch mechanische Schäden wie Steinschlag oder Hagelschlag?
- durch organischen Düngemitteleinsatz und ökologischen Pflanzenschutz?
- durch Beregnung und Hotspots in den Modulen, die durch Teilverschattung entstehen können und zu lokaler Überhitzung und Fehlerbildung in Solarmodulen führen.? - Wie ist die generelle Ertragsleistung des Systems im norddeutschen Raum im Vergleich zu benachbarten klassischen Freiflächenanlagen?
Ackerbauliche Fragestellungen, u.a.:
- Welche positiven und negativen Ertrags-Auswirkungen ergeben sich durch den Einsatz von Beregnungstechnik? Kann die erhöhte Verschattung und verringerte Erosion den Einsatz von Beregnung reduzieren?
- Welche Kulturen können von dem System besonders profitieren?
- Fragestellungen für die Nutzung von senkrechten PV-Modulen im Rahmen der 1. und 2. Säule der Agrarförderung
- Wie hoch ist der Arbeitszeitbedarf in allen Phasen der Bewirtschaftung? Sind zusätzliche technische Ausstattungen erforderlich (z.B. die geeignete Auswahl hochgenauer Parallelfahrsysteme, die die Bewirtschaftung erleichtern)?
Naturschutzfachliche Fragestellungen, u.a.:
Welche Effekte hat eine PV-Freiflächenanlage mit senkrechten Modulen auf die Biodiversität in der Agrarlandschaft?
Rechts- und Sozialwissenschaftliche Fragestellungen, u.a.:
- Wie werden Agri – PV – Projekte im Vergleich zu Windparks und klassischen PV-Freiflächenanlagen von der Bevölkerung aufgenommen?
- Unter welchen Voraussetzungen können Flächen mit einer Agri-PV-Anlage weiterhin als landwirtschaftliche Fläche gelten und entsprechende Prämien genutzt werden?
- Welche Änderungen sind ggfs. Notwendig, um den Status als landwirtschaftliche Fläche zu behalten?
Von wem ist das Projekt?
Agri – PV ist ein Kooperationsprojekt der kleVer Klimaschutz- und Energieagentur LK Verden (Projektkoordination, Antragstellung und Öffentlichkeitsarbeit), der Regional- und Energiegenossenschaft Aller – Leine – Weser eG (RealWeg) (Bau und Betrieb der Anlage) und der Next2Sun GmbH (Planung und Entwicklung).
Zudem waren bei den Vorbereitungen Holger Buck von der Öko-Beratungsgesellschaft mbH für die ackerbauliche Beratung, Herr Niepelt vom Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) für die technische Beratung und die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN) für allgemeine Unterstützung intensiv beteiligt.
Was ist der aktuelle Stand?
Am 29.04.2022 überreichte der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies höchstpersönlich auf dem Acker in Dörverden den Förderbescheid des niedersächsischen Umweltministeriums. Im Sommer 2025 begann dann der Bau der Anlage, bevor sie am 16.10.2025 endlich fertiggestellt wurde! Im Rahmen einer kleinen Feier mit Projektbeteiligten, Planer:innen, Installateur:innen und Forschungsinstituten betonte der Minister, welch hohen Stellenwert er dem Forschungsprojekt beimisst:
„Die Klimakrise verschärft sich. Wir müssen also vermehrt auf Erneuerbare Energien setzen und das möglichst flächenschonend. Daher setzen wir bei der Photovoltaik insbesondere auf Gebäude und versiegelte Flächen wie Parkplätze. Wenn wir auf den Acker gehen, dann sollten PV-Anlagen möglichst flächensparend sein und eine landwirtschaftliche Nutzung weiter ermöglichen. Da ist es ein Glücksfall, dass es Agri-PV gibt. Sie ermöglicht es, auf ein und derselben Fläche Lebensmittel zu produzieren und zugleich Ökostrom zu gewinnen.“
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Vom 20.12.-05.01. gehen wir von der kleVer in eine kurze Weihnachtspause.