Agri - PV: Strom und Gemüse vom selben Feld
Energie und Lebensmittel auf der gleichen Fläche produzieren? Ja, das geht! Wie? Das testen wir in unserem Pilot – Projekt Agri – PV!
Worum geht es in dem Projekt?
Sollen wir auf einer Fläche Lebensmittel anbauen oder lieber Energie erzeugen? Mit Agri – PV könnte dieser Konflikt bald der Vergangenheit angehören: Nach dem Motto „Kombination statt Konkurrenz“ werden bei Agri - PV senkrechte Solarmodule auf landwirtschaftlich genutzten Flächen im Reihenabstand von ca. 10m voneinander aufgestellt. Zwischen den Solarmodulen sollen Kartoffeln, Möhren, Kürbis und andere Nutzpflanzen gedeihen. Unser Projekt wird auf einem Acker in Dörverden umgesetzt werden.
Es ist das erste Vorhaben in Deutschland, welches Photovoltaik und ökologischen Landbau verknüpft und zusätzlich den Schwerpunkt auf Fragestellungen im landwirtschaftlichen Bereich legt.
Deshalb sind noch viele Fragen offen: Wirken sich die Anlagen auf die landwirtschaftlichen Erträge oder die Biodiversität aus? Beeinflussen die Solarmodule den Arbeitszeitbedarf bei der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Fläche? Wie beeinflusst die Bewirtschaftung der Ackerfläche die PV – Module?
Wie sieht ein Energie – Acker der Zukunft aus?
Auf 1 ha sollen ca. 575 bi-faciale Solarmodule in senkrechter Bauweise aufgestellt werden. Bi-faciale Module können auf beiden Seiten Licht und Strahlung aufnehmen und werden in Ost-West-Ausrichtung montiert. Es ergibt sich eine Gesamtleistung von ca. 230 kWp. Die senkrechten Modulreihen haben einen Abstand von ca. 10 - 12m, die eine ackerbauliche Nutzung zwischen den Modulreihen ermöglichen. Innerhalb der Modulreihen werden immer wieder ausreichend Lücken gelassen, um für die Begleituntersuchungen Referenzwerte ohne Agri-PV zu bekommen.
Der Ackerbau wird mit einer für den niedersächsischen ökologischen Landbau ( sandige Standorte) klassischen Fruchtfolge umgesetzt:
Kleegras (Umstellung auf ökologischen Landbau), Kleegras, Getreide, Hackfrucht, Gemüse und Leguminose (z. B. Ackerbohne).
In einem „Ackerstreifen“ zwischen den Modulen sollen die Dauerkulturen Spargel und Beeren gepflanzt werden, um auch Erfahrungen mit diesen typisch niedersächsischen Dauerkulturen gewinnen zu können.
Die Bewirtschaftung erfolgt mit GPS-unterstützen Landmaschinen. Diese ermöglichen eine präzise und sichere Bewirtschaftung zwischen den Modulen.
Auf welche Fragen liefert das Forschungsprojekt Antworten?
Das interdisziplinäre Forschungsprojekt adressiert sowohl technische, landwirtschaftliche und naturwissenschaftliche als auch sozialwissenschaftliche Fragestellungen. Konkret stehen folgende Fragestellungen im Fokus:
Technische Fragestellungen, u.a.:
- Welche Auswirkungen hat der Ackerbau auf den Ertrag, die Leistungsfähigkeit und die Lebensdauer der PV-Module in räumlicher Nähe sowie auf die gesamte Anlage , u.a.
- durch (Teil-)Verschattung von Pflanzen, Staub und Landmaschinen?
- durch mechanische Schäden wie Steinschlag oder Hagelschlag?
- durch organischen Düngemitteleinsatz und ökologischen Pflanzenschutz?
- durch Beregnung und Hotspots in den Modulen, die durch Teilverschattung entstehen können und zu lokaler Überhitzung und Fehlerbildung in Solarmodulen führen.? - Wie ist die generelle Ertragsleistung des Systems im norddeutschen Raum im Vergleich zu benachbarten klassischen Freiflächenanlagen?
Ackerbauliche Fragestellungen, u.a.:
- Welche positiven und negativen Ertrags-Auswirkungen ergeben sich durch den Einsatz von Beregnungstechnik? Kann die erhöhte Verschattung und verringerte Erosion den Einsatz von Beregnung reduzieren?
- Welche Kulturen können von dem System besonders profitieren?
- Fragestellungen für die Nutzung von senkrechten PV-Modulen im Rahmen der 1. und 2. Säule der Agrarförderung
- Wie hoch ist der Arbeitszeitbedarf in allen Phasen der Bewirtschaftung? Sind zusätzliche technische Ausstattungen erforderlich (z.B. die geeignete Auswahl hochgenauer Parallelfahrsysteme, die die Bewirtschaftung erleichtern)?
Naturschutzfachliche Fragestellungen, u.a.:
Welche Effekte hat eine PV-Freiflächenanlage mit senkrechten Modulen auf die Biodiversität in der Agrarlandschaft?
Rechts- und Sozialwissenschaftliche Fragestellungen, u.a.:
- Wie werden Agri – PV – Projekte im Vergleich zu Windparks und klassischen PV-Freiflächenanlagen von der Bevölkerung aufgenommen?
- Unter welchen Voraussetzungen können Flächen mit einer Agri-PV-Anlage weiterhin als landwirtschaftliche Fläche gelten und entsprechende Prämien genutzt werden?
- Welche Änderungen sind ggfs. Notwendig, um den Status als landwirtschaftliche Fläche zu behalten?
Welche Vorteile bringt Agri - PV mit sich?
Agri – PV bietet das Potenzial…
- … auf einer Fläche klimafreundliche Energie zu erzeugen und gleichzeitig Lebensmittel anzubauen.
- … den Flächenverbrauch zu verringern: der Energiegewinn je überbauten Quadratmeter ist um ein vielfaches höher als bei Energiegewinnung aus Biomasse oder klassicher Freiflächenphotovoltaik mit schrägen Modulen.
- ...die Stromnetze zu entlasten: Die Stromproduktion erfolgt hauptsächlich morgens und abends. Also immer dann, wenn in den Haushalten am meisten Strom gebraucht wird.
- … für einen neuen, krisensicheren Betriebszweig für Landwirt:innen.
Um diese und weitere Fragen zu klären, erfolgt eine fünfjährige wissenschaftliche Begleitung des Projektes.
Von wem ist das Projekt?
Agri – PV ist ein Kooperationsprojekt der kleVer Klimaschutz- und Energieagentur LK Verden (Projektkoordination, Antragstellung und Öffentlichkeitsarbeit), der Regional- und Energiegenossenschaft Aller – Leine – Weser eG (RealWeg) (Bau und Betrieb der Anlage) und der Next2Sun GmbH (Planung und Entwicklung).
Zudem waren bei den Vorbereitungen Holger Buck von der Öko-Beratungsgesellschaft mbH für die ackerbauliche Beratung, Herr Niepelt vom Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) für die technische Beratung und die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN) für allgemeine Unterstützung intensiv beteiligt.
Wie finanziert sich das Projekt?
Das gesamte Volumen des Projektes beträgt ca. 510.000 € (Bau der Anlagen und Begleitforschung).
Davon übernimmt ca. 400.000€ das niedersächsische Umweltministerium, 15.000€ die kleVer und 15.000€ REALWeg. 80.000€ stammen aus LEADER – Fördermitteln des Aller-Leine-Tals.
Was ist der aktuelle Stand?
Für die Genehmigung ist ein Bauantrag mit entsprechenden Änderungen im Flächennutzungsplan notwendig. Hier arbeiten wir eng mit den Verwaltungen von Gemeinde und Landkreis zusammen, um zügig voranzukommen.
Am 29.4.22 überreichte der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies höchstpersönlich auf dem Acker in Dörverden den Förderbescheid des niedersächsischen Umweltministeriums. „Angesichts der Ukrainekrise sind innovative Projekte wie das Pilotprojekt Agri-PV-Dörverden wichtiger denn je. Es zeigt Wege auf, wie der Nutzungskonflikt zwischen Fläche für die Produktion von Nahrungsmitteln und Fläche für die Energieversorgung mit erneuerbarer Energie gelöst werden kann. Derartige Innovationskraft ist elementar, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, denn von den geplanten 65 Gigawatt Photovoltaik-Leistung müssen 15 Gigawatt auf der Freifläche entstehen,“ äußerte sich dieser begeistert über das Projekt.
Weitere Informationen zur Übergabefeier finden Sie in unserem zugehörigen "Aktuelles" - Beitrag.
Kontakt
Über den aktuellen Stand des Projektes halten wir Sie auf unserer Website auf dem Laufenden. Bei Fragen wenden Sie sich gern an unseren Projektleiter Herrn Schöfinius unter c.schoefinius@klever-klima.de .
Impressionen von der Übergabefeier mit Umweltminister Olaf Lies (© Sylvia Bothmer)
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