Pilotprojekt Agri-PV: Strom und Gemüse vom selben Feld

Diese Chance ließ sich der Niedersächsische Umweltminister Olaf Lies nicht entgehen. Er überreichte am 29. April 2022 den Förderbescheid für das Pilotprojekt Agri-PV Dörverden an Ort und Stelle, nämlich auf dem Acker. Im Rahmen einer kleinen Übergabefeier machte der Minister deutlich, welch hohen Stellenwert er dem Forschungsprojekt beimisst:
„Angesichts der Ukrainekrise sind innovative Projekte wie das Pilotprojekt Agri-PV-Dörverden wichtiger denn je. Es zeigt Wege auf, wie der Nutzungskonflikt zwischen Fläche für die Produktion von Nahrungsmitteln und Fläche für die Energieversorgung mit erneuerbarer Energie gelöst werden kann. Derartige Innovationskraft ist elementar, wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, denn von den geplanten 65 Gigawatt Photovoltaik-Leistung müssen 15 Gigawatt auf der Freifläche entstehen,“ sagt Olaf Lies, Niedersächsischer Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz.
Zwischen Bremen und Hannover ist die Aufstellung einer Demonstrations- und Forschungsanlage mit senkrechten statt mit herkömmlichen vertikalen Modulen geplant. Diese Ausrichtung ermöglicht, Solarstrom zu erzeugen und den Acker weiter für den Acker- und Gemüseanbau zu nutzen. Auf einem Hektar Ackerland sollen rund 575 bi-faciale Module in senkrechter Bauweise aufgestellt werden. Diese Module können auf beiden Seiten Licht und Strahlung aufnehmen und werden in Ost-West-Ausrichtung montiert. Sie erzeugen eine Gesamtleistung von circa 230 Kilowatt-Peak (kWp). Der geplante Einsatz von GPS-unterstützten Landmaschinen ermöglicht eine präzise und sichere Bewirtschaftung zwischen den Modulen.
Projektverantwortlich ist die Klimaschutz- und Energieagentur Landkreis Verden gGmbH (kleVer). Der Projektleiter Corbinian Schöfinius weiß, dass noch wichtige Fragen beantwortet werden müssen, bis diese kombinierte Art der Ackernutzung flächendeckend in Deutschland zum Einsatz kommen könnte. „Insbesondere klären wir mit diesem Pilotprojekt, wie sich Verschattung auf den Acker- und Gemüsebau, aber auch auf die Module auswirkt. Auch die Fragen nach einer möglichen Beregnung in Trockenphasen oder nach Insekten, die sich in den Modulstreifen ansiedeln, müssen geklärt werden“, führt er aus.
Damit valide Ergebnisse herauskommen, ist das Projekt über einen Zeitraum von fünf Jahren angelegt. Das finanzielle Volumen des Vorhabens beträgt rund 510.000 Euro für den Anlagenbau und die Begleitforschung, dass neben dem Umweltministerium auch durch LEADER-Mitteln des Aller-Leine-Tals, der Klimaschutz- und Energieagentur Landkreis Verden gGmbH (kleVer) und der örtlichen Regional- und Energiegenossenschaft Aller-Leine-Weser eG unterstützt wird. Doch wie genau sieht so ein Energie-Acker der Zukunft eigentlich aus? Schöfinius erläutert: „Die senkrechten Modulreihen haben einen Abstand von circa zehn bis zwölf Metern, die den Anbau zwischen ihnen ermöglicht.“ Um Referenzwerte zu erhalten, ob der landwirtschaftliche Ertrag durch die Versuchsanordnung gestört wird, lässt die Installation der Modulreihen ausreichende Lücken für eine herkömmliche Bewirtschaftung.
Bleibt die Frage nach der Bewirtschaftung der Fläche mit Hilfe von landwirtschaftlichen Großgeräten, ohne die empfindlichen Module zu zerstören. Sascha Krause-Tünker, Vorstand der Next2sun GmbH, erläutert den Lösungsansatz der Projektplaner: „Durch den Einsatz von GPS-unterstützten Landmaschinen ist eine präzise und sichere Bewirtschaftung zwischen den Modulen gewährleistet. Geplant ist der ökologische Ackerbau über eine klassische Fruchtfolge von Kleegras, Kartoffeln, Möhren, Hackfrucht oder Leguminosen wie Ackerbohnen“. Auch der „Ackerstreifen“ zwischen den Modulen könne für den Anbau von Spargel und Beeren genutzt werden, um Erfahrungen mit diesen typisch niedersächsischen Dauerkulturen auf dem Versuchsfeld zu gewinnen.
Dass von diesem Pilotprojekt Landwirte in Niedersachsen und ganz Deutschland profitieren können, erläuterte Dr. Stefan Dreesmann, Aufsichtsrat bei der örtlichen Regional- und Energiegenossenschaft Aller-Leine-Weser eG. Die Genossenschaft ist für den Bau und Betrieb der Solarmodul-Anlage und die Durchführung der ackerbaulichen Versuche verantwortlich. „Dieses Modell-Vorhaben eröffnet den Bewirtschaftern neue ökonomische Perspektiven und kann ein Meilenstein für den ökologisch optimierten Einsatz landwirtschaftlicher Flächen bedeuten. Der bisherige Flächenverlust durch die Nutzung fruchtbarer Ackerböden durch Solarparks mit herkömmlichen vertikalen Modulen könnte bald der Vergangenheit angehören“, so Dr. Dreesmann anlässlich der Übergabe des Zuwendungsbescheides durch Umweltminister Lies.
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