Biogas – quo vadis?
Die Biogasanlage in Kirchlinteln-Armsen steht vor einer neuen Ära: Was als reine Stromerzeugung und Wärmeversorgung an der benachbarten Gärtnerei begann und heute zusätzlich 95 Haushalte in Armsen sicher mit Wärme versorgt, wird zukünftig Gas für das Gasnetz produzieren und zusätzlich LKW über ein Tankstellennetz mit Bio-CNG und Bio-LNG versorgen.
Und noch ein Paradigmenwechsel steht an: Mit der Umstellung der Biogasanlage auf Feststoffmiste aus Tierställen kann auf nachwachsende Rohstoffe verzichtet werden.
Alle Fragen rund um – zumindest diese – Biogasanlage beantwortete Agraringenieur Gerd Clasen, Geschäftsführer der KBB Biogas GmbH & Co.KG, den Besucher:innen, die auf Initiative der Kreisvolkshochschule Verden und der Energieagentur kleVer die Anlage besichtigen konnten. Die Novellierung des „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ (2009) mit dem Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis 2020 auf einen Anteil von mindestens 30 % zu erhöhen, kombiniert mit lukrativen Einspeisevergütungen und unausgelastetem Ackerland machten den Bau von Biogasanlagen in Folge rentabel. Ursächlich und auch heute noch erzeugt die Anlage also Strom aus Biogas, das über die Vergärung von Maissilage, Rinder- und Schweinegülle, Rinder und Pferdemist sowie Sonnenblumen und Grassilage erzeugt wird. Mit der Abwärme heizte man die Gewächshäuser einer benachbarten Gärtnerei. Als dort 2020 der Betrieb eingestellt werden sollte, wurden bereits neue Abnehmer für die Wärme gefunden – die Nahversorgung für Armsen entstand im selben Jahr. Um Schwankungen im Verstromungs- und Abwärmeprozess abzupuffern und 100%ige Wärmeversorgung garantieren zu können, wurden zusätzlich zwei Holzhackschnitzelheizungen installiert, die nach Bedarf zusätzliche Wärme erzeugen, „und zwar mittlerweile ausschließlich aus Sägewerksabfällen“, wie Clasen betont.
Doch wieder steht ein Wandel an. „Strom aus Biogas erzeugen die meisten der 9000 Biogasanlage in Deutschland, Biomethan aus Biogas nur wenige“, so Clasen. „Biogas aber macht uns ein stückweit unabhängiger vom Weltmarkt, das zeigt gerade die aktuelle Krise in der Ukraine sehr deutlich.“ Deshalb gehen die Armser Energieerzeuger jetzt den nächsten Schritt, bauen um und aus. Mehr Biogas soll produziert werden, ohne Ackerfläche dafür zu nutzen. Erstmals tat Clasen diesen nächsten Entwicklungsschritt auf dieser Veranstaltung kund, „weil unserer Bürgermeister Arne Jacobs auch dabei ist und es jetzt auch offiziell wissen soll. Die Rohstoffe, überwiegend also Festmist, werden dann aus den Tierproduktionsbetrieben eingekauft beziehungsweise kostenfrei übernommen. „Es gibt in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz bei der Erzeugung von Biogas aus Reststoffen. Die frei werdenden Ackerflächen können wieder für die Lebensmittelproduktion – auch für Tierfutter – oder andere Pfade genutzt werden.“
Das Biogas muss aber aufbereitet werden. „Biogas besteht zu 54 % aus Methan und zu 46 % aus Kohlendioxid. Dieses CO2 müssen wir abscheiden“, so Clasen. Es darf aber natürlich nicht entweichen in die Umgebung. „Verflüssigt lässt sich CO2 als Wertstoff zu Trockeneis verarbeiten und kann in der Fischverarbeitung genutzt werden. Auch Oberflächenbehandlungen ähnlich dem Sandstrahlen sind möglich damit und es kann in der Getränkeindustrie genutzt werden.“
Das Biomethan soll ins Erdgasnetz eingespeist werden. „Aber nur zum Teil. „Dort angekommen wird ein bundesweit agierender Tankstellenbetreiber das Gas vorrangig für LKWs und PKW bereitstellen. Wir wollen möglichst regional unseren Treibstoff vermarkten, daran arbeiten wir“, so Clasen. Denn während E-Mobilität für Autos bestens funktioniert, sind Lastwagen auf andere Energiequellen angewiesen. „Biomethan in Form von Bio-CNG und Bio-LNG sind gut händelbare, effiziente und zudem auch günstige Energieträger.“
Zurück bleibt beim Vergären und einer weiteren Nachbehandlung ein Produkt, das aussieht wie grobe Erde und nach fast gar nichts riecht. „Diese Gärreste übernimmt die Substratindustrie, die ja zukünftig immer mehr Erdenmischungen Torf frei anbieten muss. Unsere Gärreste übernehmen diesen Part der strukturstabilisierenden und wasserhaltenden Komponente in Blumenerden der Zukunft.“
Auf der Strecke bleiben die Blockheizkraftwerke, die Wärme als Beiprodukt erzeugen. „Deshalb werden wir hier mit weiteren Holzhackschnitzelheizungen kompensieren. Die Nahwärmeversorgung für Armsen bleibt sicher“, verspricht Clasen.